Die Stiftung der Sächsischen Zeitung hilft Menschen in Notlagen. In Weißwasser werden wird sechs Familien geholfen.
von Sabine Larbig
Schon alt und leicht verblichen ist das Poster im Büro von Katharina Krall, es hat einige Umzüge hinter sich. Zu sehen ist darauf eine an vielen Fäden hängende Holzmarionette. Die Fäden enden an Worten wie Zwangsräumung, Trennung, Lohnpfändung, Arbeitslosigkeit, Krankheit. „Ich trenne mich vom Poster nicht, weil es genau die Situation beschreibt, durch die Menschen unverschuldet zum Schuldner werden können und in einen Kreislauf geraten, in dem sie Hilfe brauchen, um daraus herauszukommen.“
Seit 1993 dabei
Seit 1993 ist Katharina Krall als Schuldner- und Insolvenzberaterin beim DRK-Kreisverband Weißwasser tätig und zuständig für den Altkreis Weißwasser inklusive Rothenburg, Niesky und Reichenbach. Momentan freut sie sich darüber, dass sie mit Hilfe der Stiftung Lichtblick der Sächsischen Zeitung sechs Bedürftigen helfen konnte, für die insgesamt 2.447 Euro Stiftungsgeld flossen. Darunter an ein junges Paar, das aus einer Schimmelwohnung ausziehen musste. „Die Kinderzimmermöbel waren angegriffen, sind nicht mehr nutzbar. Doch bei Umzug besteht kein Anspruch auf Ausstattung durchs Amt. Glücklicherweise wurde mein Antrag bei Lichtblick für die Familie genehmigt.“
Über Kohle zum Heizen kann sich ein Rentnerehepaar freuen. Bezahlt wurden ebenfalls Stromschulden einer Alleinerziehenden mit familiären, finanziellen und persönlichen Problemen. „Lichtblick ist für Betroffene wirklich ein Lichtblick. Die Stiftung hilft, wenn gar nichts anderes mehr geht, und hat damit den richtigen Namen“, sagt Krall. Sie nutzt die Stiftung ganzjährig. Nicht nur vor Weihnachten. Und das seit dem Bestehen. „Wir wurden bisher immer bedacht. Das Tolle an der Stiftung ist auch, dass die
Unterstützung sehr zügig kommt. Denn bei den Menschen, für die ich Anträge stelle, brennen die Probleme echt.“ Waren es früher oft junge Menschen, denen Katharina Krall aus der Schuldenfalle half, in die sie hineingeraten waren wegen unbezahlter Rechnungen für Handys oder auf Raten gekaufte PCs und Tablets, so ist – durch billigere und kundenfreundlichere Tarife und niedrige Anschaffungskosten für Technik – heute der Großteil ihrer Klienten die Altersgruppe 50 Plus. „Man kann sich in diesem Alter, wenn man einen Job hat, gut verschulden. Es gibt alles auf Darlehen oder Raten. Aber sobald Krankheit, Jobverlust, Insolvenz oder längere Zeit Kurzarbeitergeld greifen und nur ein Einkommen wegbricht, geht das Drama los.“ Die Schuldnerberaterin schätzt, dass durch Corona die Zahl Betroffener wachsen wird. Es sei ja ein verzögerter Prozess, der erst eintrete, wenn die Not irgendwann so hoch ist, dass nichts mehr funktioniert. Vor ihrer Tür stehen und um Unterstützung bitten, vermutet Krall, würden künftig sicher auch viele Soloselbstständige, deren Zuschüsse aufgebraucht sind und denen weiter die Einnahmen wegen Corona fehlen.
Jährlich rund 170 Fälle
Momentan bearbeitet Katharina Krall jährlich rund 170 Fälle. Eigentlich sind es viel mehr. Doch neben abgeschlossenen Fällen durch Entschuldung, Umzug, Todesfall, Klärung der Erhöhung des Pfändungsfreibetrages oder Abbrecher gibt es viele langwierige und schwierige Fälle. Ein gewichtiger Grund, warum der Aktenschrank der DRK-Schuldnerberaterin nie wirklich leer wird. Sieben
bis acht Beratungen pro Tag in den Beratungsstellen Weißwasser und Niesky, zusätzlich zur Büroarbeit, sind keine Seltenheit. Vereinbarungen für Ratenzahlungen erreichen oder Stellensuchen für abzuarbeitende gemeinnützige Stunden nach Strafbefehlen durch die Staatsanwaltschaft gehören dabei ebenso zum Aufgabengebiet wie das Vermeiden von Zwangsräumung und drohender
Obdachlosigkeit, „Manche Menschen kommen mit einem Koffer voll ungeöffneter Briefe zu mir, weil sie Angst vor den Mahnschreiben hatten. Da muss man Schritt für Schritt vorgehen und Lösungen suchen. Gott sei Dank haben Schuldner auch Schutzrechte. Diese durchzusetzen, auch dafür bin ich da“, erzählt Krall. Kürzlich habe sie eine tränenaufgelöste Frau beraten, die nach der Trennung von ihrem Mann keinen Cent hatte, weil das Konto auf ihn lief. Solche Beispiele würden zeigen, dass es jeden ganz schnell treffen, man unverschuldet zum Schuldner werden könne.
Stets ein persönliches Schicksal
Hinter jedem Einzelfall steht ein ganz persönliches Schicksal. An sich ranlassen darf es Katharina Krall aber nicht. „Weil sonst der Kopf etwas aussetzt und ich nicht objektiv die beste Hilfe geben kann. Doch ich muss die sein, die sagt: «Hier ist der Schwachpunkt!»“. Sie wisse zwar, dass Immer-Verzicht-Üben sehr schwer sei. „Aber die Leute müssen erkennen, dass sie über ihre Verhältnisse leben oder den Überblick verloren haben.“
Um Ratsuchenden helfen zu können, arbeitet die Schuldnerberaterin eng mit anderen Beratungsstellen wie Einrichtungen der Jugendhilfe, Schwangerenberatung, Migrationsberatung, Verbraucherzentrale und selbst mit Anwälten zusammen. Immerhin, begründet Krall, seien die Probleme so vielschichtig und bunt wie das Leben, gäbe es hunderte Gesetze und Richtlinien. „Das kann ich nicht alles wissen.“
Eines weiß sie aber. Einst wie heute gibt es eine Art „Weihnachtsfrieden“, kommen weder Mahnungen noch Gerichtsvollzieher ins Haus, wird kein Strom abgeschaltet. Doch schon im Januar und Februar geht Katharina Krall wieder von einem Ansturm aus. Dann, wenn die Betriebskostenabrechnungen für Strom, Wasser oder Heizung kommen und wieder viele Hilfe brauchen, um sie bezahlen zu können.
Quelle: Sächsische Zeitung, Ausgabe Weißwasser vom 22.12.2020